Wellington City Library

Lieber Leserinnen und Leser, kia ora!

Ende 2010 unternahm ich meine zweite Reise nach Neuseeland. Zum Zeitpunkt meiner Reise war gerade mittendrin in meiner Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste – Fachrichtung Bibliothek (das ist die vollständige Berufsbezeichnung, aber wir sagen kurz „Fami“). Das war eine großartige Gelegenheit, die Stadtbibliothek der Hauptstadt Wellington zu besuchen und etwas über Bibliotheken in anderen Ländern zu lernen. Auch wenn das jetzt über 10 Jahre her ist, möchte ich heute auf diesen Besuch zurückblicken und euch einen Einblick in diese Bibliothek verschaffen.

Nähert man sich der Bibliothek von Außen fällt einem sofort die außergewöhnliche, preisgekrönte Architektur ins Auge. Zumindest war das damals der Fall. Mittlerweile ist die Wellington City Library (WCL) aus dem Gebäude ausgezogen. Alle Angaben in diesem Beitrag beziehen auf den damaligen Zustand. Allerdings stellte man 2019 fest, dass das Gebäude aufgrund von Erdbeben instabil geworden. Man hofft aber, dass man das Gebäude sanieren und die Bibliothek dort bald wieder einziehen kann. Beim Bau wurden viele neuseeländische Elemente verwendet. Die Säulen sind Cabbage Trees (Kohlbaum – Cordyline australis) nachempfunden. Der Gehweg wird durch eingerollte Farnwedel begrenzt.

Ein paar Zahlen vorweg

Die Wellington City Library beherbergte bis 2019 auf drei Ebenen etwa 720.000 Medieneinheiten. Wellington ist die Hauptstadt Neuseeland und hat etwa 215.000 Einwohner. Das entspricht ungefähr der Größe von Lübeck oder Erfurt. Gegründet wurde die Bibliothek bereits 1893. Neben der Zentrale gibt es mittlerweile 11 Stadtteilbibliotheken. Für „Wellingtonians“ ist die Mitgliedschaft kostenlos. Allerdings sind bestimmte Ausleihangebote oder Dienstleistung kostenpflichtig. Als wichtigste öffentliche Bücherei des Landes hat sie weitreichende Aufgaben. Wie jede Stadtbücherei ist sie für die Literaturversorgung der Bevölkerung zuständig. Darüber hinaus gibt aber noch ein paar besondere Sammlungen, die man vielleicht nicht in einer öffentlichen Bücherei vermuten würden. Das Hauptgebäude war sogar sonntags geöffnet, ingesamt 64h/Woche. Durch die Verlagerung des Standortes wurden die Öffnungszeiten allerdings inzwischen eingeschränkt.

Ein Rundgang durch die WCL

Betrat man das Gebäude, fiel einem sofort die gute Beschilderung auf. Gleich am Eingang gab es Lagepläne. Bitte nicht wundern: Alle Beschilderungen sind zweisprachig. Amtssprache sind Englisch und Maori. Im Erdgeschoss fand man die Kinderabteilung mit gemütlichen Sitz- und Spielmöbeln, die Abteilung „Young Adult“ (entspricht unserer Young Corner), den kompletten Romanbestand, alle AV-Medien und die „Service Facilities“, wir würden es mit Service-Theke übersetzen. Hier fand Ausleihe und Rückgabe, Anmeldung und Beratung statt. Reservierung konnten selbst abgeholt werden. Dazu gab es entsprechende Regale, aus denen man sein reserviertes Medium selbst entnahm. Die Ausleihe verlief über Selbstverbucher. Das Gebäude war komplett behinderten- und kindgerecht gebaut. So brachten einen Rolltreppen und Aufzüge in die oberen Stockwerke. Für Kinder war nicht nur der in Neuseeland obligatorische Trinkbrunnen mit Stufen versehen, auch die Servicetheken hatten extra Stufen, damit die Kinder über die Theken schauen konnten.

Als wir gerade vor Ort waren, war ein riesiger Bücherflohmarkt mit sehr moderaten Preisen aufgebaut. Anscheinend war aber nicht jedem klar, dass nicht alle Bücher zum Verkauf standen. So fand ich an einigen Regalen den Hinweis „These items are not for sale – No withdrawn sticker – No sale“ (Diese Dinge stehen nicht zum Verkauf – kein abgezogener Aufkleber – kein Verkauf“)

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Würdest du durch die WCL gehen, würden dir sofort einige Gemeinsamkeiten zwischen Neuseeland und Deutschland bzw. der Stadtbücherei Erkrath auffallen. So sind die Bücher ebenfalls durch Folie geschützt, allerdings wird keine selbstklebende wie bei uns verwendet, sondern die Bücher werden in lose Folie eingeschlagen. Bei Romanen, vor allem Taschenbüchern, wird komplett auf Folie verzichtet. Bei Romane wird sogar auf Rückenaufkleber wie Signaturen verzichtet. Nur besondere Interessekreise oder Genre werden aufgeklebt, z.B. Mystery. Alle andere Romane werden zwar alphabetisch in die Regale einsortiert, aber man muss vorher genau schauen, wie ein Autor heißt. Das ist bei uns ein bisschen einfacher, wie ich finde.

Bei den Kindern wird deutlich mehr mit Symbolen gearbeitet. So gibt es ein System für die unterschiedlichen Stufen für Leseanfänger. Und hier findet man auf den Buchrücken sogar die ersten drei Buchstaben des Autors. So fand ich in der Kinderabteilung die englische Übersetzung von Cornelius Funkes „Drachenreiter“ unter „FUN“ wie Funke.

In der Sachbuchabteilung gerät ein deutscher Besucher jedoch schnell an seine Grenze. Ich gebe ja zu, dass unsere Sachbuchsignaturen auch nicht gerade logisch sind. Sachbücher sind bei uns nach einem Salat aus Buchstaben und Zahlen sortiert. In Neuseeland geht alles nach Nummer. Diese können aber z.T. ziemlich lang werden. Die Regale waren aber hervorragend beschriftet und wer dann immer noch keinen Ahnung hatte, wo er oder sie sein Sachgebiet fand, nahm einfach einen „Path Finder“, kleine Bibliothekplänen im Sachbuchbereich, die zu jedem Sachgebiet auslagen. Die Bilder zeigen Bücher aus der Abteilung „Geschichte einzelner Länder“.

Mit alle diesen Gemeinsamkeiten fühlt man sich in WCL sofort wohl. Doch es gibt noch ein paar Besonderheiten, die mich überrascht haben.

Was es sonst noch alles gibt

Wie bereits erwähnt gab es in der WCL einiges, was man vielleicht in einer deutschen öffentlichen Bibliothek nicht findet. Im sog. „Reference“-Bereich (Nachschlagewerke) fand man die u.a. „Council-Documents“ (Amtsdruckschriften und -forumlare), Telefonbücher von ganz Neuseeland und z.T. darüber hinaus, Wählerverzeichnisse und Wahlergebnisse, Firmenverzeichnisse, Jahresberichte und Statistiken, ein umfassendes Zeitungsarchiv mit z.T. 100 Jahre alten Ausgaben, Karten zu jedem Land der Welt, und ich glaube, ich habe noch nie „Car Manuals“(Bedinungs- und Reparaturanleitungen für Autos) in einer Bibliothek gesehen. Diese konnte man sogar ausleihen.

Die Wellington City Library war auf jeden Fall eine Besichtigung wert. Ich liebe es generell mir Bibliotheken und Büchereien in anderen Städten anzusehen. Man findet immer wieder Vertrautes, manchmal Lustiges oder eben sogar völlig Abstruses – wie Telefonbücher.

Wenn ihr also im Urlaub seid, besucht doch auch mal die Bücherei vor Ort und erzählt mir, was ihr dort so vorfindet.

In diesem Sinne: Haere ra a ka kite ano!

Eure Christin Barthelmie

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