Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,
heute nehmen wir uns wieder Zeit für etwas Lyrik, halten kurz inne und lassen den Alltag Alltag sein.
Herausgesucht habe ich ein Gedicht von Oskar Loerke, einfühlsam rezitiert von der Schauspielerin und Sprecherin Doris Wolters.
Schicksal
Meine Seele hat im Meer gefischt,
Unter sich den Himmel.
Aus dem untern Himmel taucht das Meer.
Möwen spritzen aus dem Meer wie Gischt.
Mitten zwischen Himmel und Himmel
Reisen sie, weiße Geister, um mich her.
Meine Seele hat sich unter sie gemischt,
Meine Seele schreit unter ihnen.
Die ists, die den Himmel so bedrängt,
Unter sich das Meer?
Ist es die, die schwer am Meere hängt,
Unter sich den Himmel?
Ist sie in der Mitte irgendwer?
Irgendwo nur im Gewimmel?
Meine Seele hat sich unter sie gemengt,
Meine Seele schreit unter ihnen.
Und ich will, daß es die höchste sei,
Unter sich das Meer,
Oder die mit den gewölbten zwei
Flügeln winkt dem untern Himmel.
Doch ich bleibe irgendwer,
Finde mich nicht im Gewimmel. –
Geht ein Tag, ein Jahr, ein Leben so vorbei?
Meine Seele ist unter ihnen.
Oskar Loerke (13. März 1884 – 24. Februar 1941)
Quelle: Sämtliche Gedichte 1911 – 1936, München BookRix 2014
Wer wie ich den deutschen Dichter noch nicht kennt, dem empfehle ich diesen Beitrag:
https://www.deutschlandfunk.de/ein-zu-unrecht-vergessener-autor-100.html
Viele Grüße
Eure Beate Sleegers
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